Samstag, 22. November 2014

Hoffnungen, Utopien und andere Illusionen - Teil 1



„Nichts lebt, das würdig
Wär’ deiner Regungen, und keinen Seufzer verdient die Erde.
Schmerz und Langeweile ist unser Sein und Kot die Welt –
nichts anderes.
Beruhige dich.“

Giacomo Leopardi 1798 - 1837


Darf man sich heute noch Hoffnungen machen?“, sprach Mieze.
„Und wenn, worauf?“, antwortete Maunz. 
Nachdem sie sich ausgiebig zugeblinzelt hatten, leckten sie mit größter Sorgfalt ihre nassen Pfoten, um nicht ungepflegt zu erscheinen. Das hielten sie so, ihr ganzes Leben lang. Allein deswegen galten sie als gut-bürgerlich.
Nichtsdestotrotz beliebten sie des Nachts Ausflüge zu unternehmen, bevorzugt in die verruchtesten Gegenden des Viertels.
  
„Aber ich bitte Sie, mein Herr,  machen Sie sich keine Hoffnungen!“, gurrte die  Schöne aus den Dreißiger Jahren als er, der Galante, einen zarten Kuss an ihren Handschuh hauchte. Nach einem langen, tiefen Blick in ihre Sehnsuchtsaugen sah er sich zu erwidern veranlasst: „Aber ich bitte Sie gnädige Frau, Hoffnungen macht man sich doch immer, irgendwie!“

Zartbitteres, wie das, ist heute nicht mehr gefragt.  
Im Zeitalter multifunktionaler Analphabetismen und erotischer Legasthenien, bleiben die zwischen den Zeilen platzierten Anerbieten nicht nur unverstanden, sie bleiben auch unbeachtet.  Die Grenzen unserer Sprache, sind eben doch die Grenzen unserer Welt.

Die letzten Saurier distinguierten Verhaltens wurden – so scheint’s – bereits vor Jahrhunderten unter die  Erde gebracht und vermittels sozialer Evolution durch moderne Nachfolger ersetzt.


„Cool! Nicht wahr?“ sagt Mieze. 
Ihr Allerliebster hingegen bleibt stumm, bestrebt, auf diese Weise die damit verbundenen Hoffnungen aufrecht zu erhalten.