Montag, 10. November 2014

Was ist dir geschehen, Elfriede?


"Halt! Hören Sie sofort auf mit dem Unsinn!"

Das Gebot, vor allem das Verbot steht für sich selbst, unangefochten. Unsinn zu produzieren, gehört sich nicht. Das kostet mindestens drei Vaterunser und ein Gegrüßest-seist-du, Maria. Abgekürzt wird nicht! Auf die Knie, ihr Verdammten! Was immer ihr verbrochen habt, Strafe muss sein!

Die Flüge nach Bangkong werden dennoch nicht eingestellt. Das Urlaubsparadies für alternde Pädophile, die verabsäumten sich rechtzeitig einen Platz in der katholischen Kirche zu sichern oder wenigstens in einer Jugendherberge aushelfen zu dürfen, genießt regen Zuspruch.

Das Hotel Orient, nicht die nobelste Adresse der Stadt,  beherbergt auch Kinder. "Wir bieten keine Intimmassagen und Zimmerbesuche sind in unserem Hotel unerwünscht!", steht auf einem Schild rechts des Stiegenaufgangs, der  in die oberen Stockwerke führt. Angebracht, vor allem für alle diejenigen, die das kleine, gleichlautende Schild bei der Rezeption übersehen haben.

Wer zahlt schafft an, wo kämen wir da hin, ließe man sich vorschreiben, was man in seinem Zimmer macht, wenn man ein Batzen Geldes bezahlt hat.

Die Stewardessen der Thai-Air sahen vielversprechend aus. Und jetzt?

Besucher sollten sich von den öffentlichen Garküchen fernhalten, so ihnen ihr Leben lieb ist, empfiehlt die Reiseleitung.

Denjenigen, die zuhause geblieben sind, empfiehlt die heimische Gesundheitsbehörde wiederum auf den Genuss von Hartberger Bauernkäse, Quargel genannt, zu verzichten. Die Hartberger Bauernkäse seien etwas Besonderes, verlautete früher. Schon allein deswegen, weil es in Hartberg schon lange keine Milchkühe mehr gäbe. Der Topfen für den Käse stamme aus Deutschland und die Firma gehöre einem amerikanischen Konzern, da könne es schon einmal passieren, dass die vielbeschworene, vielgerühmte “österreichische Qualität” einen Dämpfer bekäme.

Lysterien seien

in aller Mägen und Munde,

macht die Runde.

Die Konzernsprecherin ist ganz offensichtlich in die Jahre gekommen. Man sieht ihr nicht mehr an, sich mit dem Lügen schwer zu tun.

Sie, Zornes-Göttin.

Zeitgemäß beißt sie tiefe Wunden. Die Pfeile Dianas stecken im Köcher. Es ist modern geworden, allein zu sein.

Sie aber, die Göttin, bewohnt ein Apartment in der Innenstadt und geht selten aus. Wenn, dann besucht sie nur die allerbesten Adressen. Sie hat sich zur Angewohnheit gemacht, niemanden an sich heranzulassen. Hin und wieder lässt sie, an sich heran,  dann aber nicht wirklich nahe.

Sie bezahlt dafür und kann gehen. Das sei praktisch und helfe ihr  Beziehungskrisen zu verhindern. So spart sie Energie, die im Beruf gewinnbringender angelegt werden kann. Morgen schon könnte sie nicht mehr gebraucht werden. Und dann?

Die Göttin, so erzählte sie einmal, sei verletzt worden, in früherer, archaischer  Zeit. Blut rinne ihr jetzt mit Vorliebe aus ihren Augenwinkeln und weniger aus dem Geschlecht. Das habe sie sich abgewöhnt. Es sei zu beschwerlich gewesen.

Sie wäre  immer schon lieber ein Mann gewesen, da habe man diese Probleme nicht. Ja, sie habe "das" immer schon als Problem gesehen, sagte sie.

Und, immer schon hätte sie die Buben beneidet, die jederzeit schwimmen hätten gehen können, wenn ihnen danach gewesen sei. Sie hingegen hätte immer schlecht gerochen, von unten herauf. Alles waschen, hätte da nichts geholfen.

Mutter habe sie gerne in den Vordergrund geschoben, um ihr hinten herum eine Watsche nach der anderen herunterzuhauen. Geliebt hätte sie, die Mutter, ausschließlich die Brüder.

Jetzt lässt sie Mutter täglich im Rollstuhl von einem Zivildiener in den Garten hinaus fahren. Er sieht ihrem Sohn ähnlich und sie liebt ihn dafür. Der sie einst störende Geruch hat sich schon vor Jahren gelegt, jetzt riecht sie sich schon lange nicht mehr und dem jungen Mann, wie sie ihn nennt, scheint das egal zu sein.

“Möchten Sie mehr in die Sonne?” “Nein danke, es ist schön so.” sagt dann Mutter zufrieden.


Manchmal, zu den hohen Festtagen kommen auch die Söhne zu Besuch, ihre Tochter bleibt diesen Anlässen fern, sie erkennt sie kaum noch. Zweimal im Jahr werden  Blumen geschickt. Einmal zu Mamas Geburtstag, einmal am Valentinstag. Verzeihung gibt es, Heilung nicht.