Dieses
Land zu beschreiben, sei keine lohnende Aufgabe, sagte er. Nichts an diesem Land sei der-Rede-wert. Gerade deswegen müsste man, so man sich diesem Wagnis stelle, sich nicht nur besondere Mühe geben, sondern auch den Blick für das Unwesentliche schärfen; für das also, was sich der Beobachtung so gerne entziehe: das Unscheinbare, Verborgene, das "unter-den-Teppich-Gekehrte", Verdrängte, das Geheime. Dieses Land in all seinen Facetten beschreiben zu wollen, gleiche einem Exorzismus, sagte er, an dem er selbst Schaden zu nehmen befürchte.
Warum also sollte er sich mit einer solch ungeheuren und zudem sein psychisches Gleichgewicht bedrohenden Arbeit belasten? Im übrigen würde es Jahre dauern, bis ein Text vorläge, der auch nur annähernd den Erwartungen, die er an Texte stelle, entspräche. Zudem fände sich in Wahrheit ohnehin kaum jemand, den ein solcher Text überhaupt interessiere. Eine Sysyphos-Arbeit wäre es.
Es hieße ohne Unterlass einen Felsen den Berg hinaufrollen und er habe schon viel zu viele Felsen den Berg hinaufgerollt. Es sei ermüdend, sagte er, das wisse er nun. Und weiters sagte er, dass er auch gar nicht von der Sorte Mensch sei, die sich Sysyphos als glücklichen Menschen vorstellen können. Ohne diese Vorstellung aber sei eine solche Aufgabe von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Darüber hinaus, sagte er, sei das Leben an diesem traurigen Ort, den er nun seine Heimat zu nennen gezwungen wäre, mehr als eintönig; ohne die geringsten geistigen Anregungen verlaufe es, versicherte er jedem, der es hören wollte. Außerdem sei er vollkommen sicher, dass nicht einmal diejenigen, die aus dieser Gott-verlassenen-Gegend abstammen und schon allein deswegen seit ihrer Geburt die dem Lande eigentümliche Stumpfheit mit sich herumtragen, ohne an ihr zu verzweifeln, etwas von den Vorkommnissen hier, die eigentlich Nicht-Vorkommnisse seien, etwas wissen wollten. Die hier Ansässigen, die sich hier wie auch überall sonst, weil sie nur dieses eine und kein anderes Heim kennen, die Ein-heimischen nennen, wären aber die einzigen, die von seinem Text zu profitieren in der Lage wären. Das wisse er genau.
Sie aber würden ausschließlich aus Trotz und Widerwillen gegen ihn nur das Bezirksblatt, strengstenfalls vielleicht noch die Pfarr-Rundschau lesen. Keinesfalls würden sie jemals Willens sein oder gar die Bereitschaft zeigen, sich mit einem seiner Texte auseinanderzusetzen. Und dieser, den zu schreiben er nicht beabsichtige, müsste, das gebe er ja zu, ein besonders kritischer Text werden, da sei er sich vollkommen sicher, sagte er. Allein schon deswegen, weil er, seit er denken könne, immer besondere Sorgfalt darauf verwendet habe, kritische Texte zu verfassen. Seine Texte stünden ohne Zweifel in diametralem Gegensatz zu jenem oberflächlichen Geschmiere, das man sonst überall zu lesen bekomme.
Ihnen, den Einheimischen, seien kritische Texte aber schon immer verhasst gewesen. Dennoch würde er aber auch diesmal, so er einen solchen Text in Angriff nehmen würde, wieder großen Wert darauf legen müssen, keinen lapidar-unkritischen Text vorzulegen, den man so-zwischen-durch, während man andere Dinge im Kopf habe, dahinlesen könne, einen Text, den man gedankenlos überfliegen könne, mit der Leichtigkeit wie man hier einen Kleinen Braunen konsumiere oder eine Frankfurter in sich hineinstopfe, während man gleichzeitig an etwas ganz anderes beispielsweise an den Verzehr eines Wiener Schnitzels mit Erdäpfelsalat denke.
Einen solchen in jeder Hinsicht anspruchsvollen Text zu verfassen, wäre aber eine durch und durch vergebliche Mühe, sagte er, glauben Sie mir!
Die Menschen hier, denen man zumindest aus der Ferne noch etwas Liebenswertes hätte andichten können, Gastfreundlichkeit aus Nächstenliebe beispielsweise, seien aus der Nähe betrachtet einfach nicht wert, aus der Nähe betrachtet zu werden, sagte er.
Er gäbe aber gerne zu, sagte er, während er seinen Kopf leicht zur Seite neigte, dass sich etwas Verbitterung in seinen Gedanken breit gemacht habe in den letzten Jahren.
Früher, ja, früher sei alles ganz anders gewesen, da habe er noch Illusionen gehabt, sagte er. Illusionen von einem besseren Leben in einer ruhigen Bauernhof-Idylle. Das Ländliche habe ihn sehr gereizt, das müsse er zugegeben.
Die ursprünglichste Ursprünglichkeit hätte er gesucht. Das bürgerlich Verschrobene wie es sich in diesen vermaledeiten Bezirksstädten zeige, in denen alles nur am Geld gemessen werde, hasse er. Alles nur dem Monetären unterzuordnen sei ihm seit jeher zuwider gewesen.
Immerschon hätte er auf's Land gewollt. Selbst Gemüse anbauen und Schafe züchten und Schafkäse machen und das einfache, das wirklich einfache Leben leben. Eine andere Möglichkeit hätte er nicht gesehen, damals.
Also, habe er gedacht, auf ins Grenzland, dorthin, wo die Grundstücke und Häuser noch billig sind. Am besten an den Eisernen Vorhang, dorthin, wo sich Fuchs und Hase Gute-Nacht-sagen, dorthin hätte es ihn getrieben. Und jetzt sitze er da mit seinen Schafen, die auf seinem Jung-Gemüse herumtrampeln und wisse nicht mehr weiter, weil alle Ansässigen nicht nur ansässig, sondern auch aufsässig seien.
Aufsässig und dumm seien sie, sagte er. Deswegen wolle er auch nichts mit ihnen zutun haben. Jetzt nicht, und morgen nicht und übermorgen schon gar nicht.
Also was soll’s, reden wir nicht um den heißen Brei herum, sagte er: der gekaufte Bauernhof ist inzwischen unverkäuflich geworden und von Schimmel befallen. Die Frau ist endgültig zum Teufel gegangen.
Und die Kinder machen ihm Vorwürfe, er habe ihnen das Leben versaut. Hier am Land hätten sie einfach keine Chance; in die Stadt zurück möchten sie, am liebsten heute noch.
Und der Text?
Den Text? Den können Sie vergessen, sagte er.
Warum also sollte er sich mit einer solch ungeheuren und zudem sein psychisches Gleichgewicht bedrohenden Arbeit belasten? Im übrigen würde es Jahre dauern, bis ein Text vorläge, der auch nur annähernd den Erwartungen, die er an Texte stelle, entspräche. Zudem fände sich in Wahrheit ohnehin kaum jemand, den ein solcher Text überhaupt interessiere. Eine Sysyphos-Arbeit wäre es.
Es hieße ohne Unterlass einen Felsen den Berg hinaufrollen und er habe schon viel zu viele Felsen den Berg hinaufgerollt. Es sei ermüdend, sagte er, das wisse er nun. Und weiters sagte er, dass er auch gar nicht von der Sorte Mensch sei, die sich Sysyphos als glücklichen Menschen vorstellen können. Ohne diese Vorstellung aber sei eine solche Aufgabe von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Darüber hinaus, sagte er, sei das Leben an diesem traurigen Ort, den er nun seine Heimat zu nennen gezwungen wäre, mehr als eintönig; ohne die geringsten geistigen Anregungen verlaufe es, versicherte er jedem, der es hören wollte. Außerdem sei er vollkommen sicher, dass nicht einmal diejenigen, die aus dieser Gott-verlassenen-Gegend abstammen und schon allein deswegen seit ihrer Geburt die dem Lande eigentümliche Stumpfheit mit sich herumtragen, ohne an ihr zu verzweifeln, etwas von den Vorkommnissen hier, die eigentlich Nicht-Vorkommnisse seien, etwas wissen wollten. Die hier Ansässigen, die sich hier wie auch überall sonst, weil sie nur dieses eine und kein anderes Heim kennen, die Ein-heimischen nennen, wären aber die einzigen, die von seinem Text zu profitieren in der Lage wären. Das wisse er genau.
Sie aber würden ausschließlich aus Trotz und Widerwillen gegen ihn nur das Bezirksblatt, strengstenfalls vielleicht noch die Pfarr-Rundschau lesen. Keinesfalls würden sie jemals Willens sein oder gar die Bereitschaft zeigen, sich mit einem seiner Texte auseinanderzusetzen. Und dieser, den zu schreiben er nicht beabsichtige, müsste, das gebe er ja zu, ein besonders kritischer Text werden, da sei er sich vollkommen sicher, sagte er. Allein schon deswegen, weil er, seit er denken könne, immer besondere Sorgfalt darauf verwendet habe, kritische Texte zu verfassen. Seine Texte stünden ohne Zweifel in diametralem Gegensatz zu jenem oberflächlichen Geschmiere, das man sonst überall zu lesen bekomme.
Ihnen, den Einheimischen, seien kritische Texte aber schon immer verhasst gewesen. Dennoch würde er aber auch diesmal, so er einen solchen Text in Angriff nehmen würde, wieder großen Wert darauf legen müssen, keinen lapidar-unkritischen Text vorzulegen, den man so-zwischen-durch, während man andere Dinge im Kopf habe, dahinlesen könne, einen Text, den man gedankenlos überfliegen könne, mit der Leichtigkeit wie man hier einen Kleinen Braunen konsumiere oder eine Frankfurter in sich hineinstopfe, während man gleichzeitig an etwas ganz anderes beispielsweise an den Verzehr eines Wiener Schnitzels mit Erdäpfelsalat denke.
Einen solchen in jeder Hinsicht anspruchsvollen Text zu verfassen, wäre aber eine durch und durch vergebliche Mühe, sagte er, glauben Sie mir!
Die Menschen hier, denen man zumindest aus der Ferne noch etwas Liebenswertes hätte andichten können, Gastfreundlichkeit aus Nächstenliebe beispielsweise, seien aus der Nähe betrachtet einfach nicht wert, aus der Nähe betrachtet zu werden, sagte er.
Er gäbe aber gerne zu, sagte er, während er seinen Kopf leicht zur Seite neigte, dass sich etwas Verbitterung in seinen Gedanken breit gemacht habe in den letzten Jahren.
Früher, ja, früher sei alles ganz anders gewesen, da habe er noch Illusionen gehabt, sagte er. Illusionen von einem besseren Leben in einer ruhigen Bauernhof-Idylle. Das Ländliche habe ihn sehr gereizt, das müsse er zugegeben.
Die ursprünglichste Ursprünglichkeit hätte er gesucht. Das bürgerlich Verschrobene wie es sich in diesen vermaledeiten Bezirksstädten zeige, in denen alles nur am Geld gemessen werde, hasse er. Alles nur dem Monetären unterzuordnen sei ihm seit jeher zuwider gewesen.
Immerschon hätte er auf's Land gewollt. Selbst Gemüse anbauen und Schafe züchten und Schafkäse machen und das einfache, das wirklich einfache Leben leben. Eine andere Möglichkeit hätte er nicht gesehen, damals.
Also, habe er gedacht, auf ins Grenzland, dorthin, wo die Grundstücke und Häuser noch billig sind. Am besten an den Eisernen Vorhang, dorthin, wo sich Fuchs und Hase Gute-Nacht-sagen, dorthin hätte es ihn getrieben. Und jetzt sitze er da mit seinen Schafen, die auf seinem Jung-Gemüse herumtrampeln und wisse nicht mehr weiter, weil alle Ansässigen nicht nur ansässig, sondern auch aufsässig seien.
Aufsässig und dumm seien sie, sagte er. Deswegen wolle er auch nichts mit ihnen zutun haben. Jetzt nicht, und morgen nicht und übermorgen schon gar nicht.
Also was soll’s, reden wir nicht um den heißen Brei herum, sagte er: der gekaufte Bauernhof ist inzwischen unverkäuflich geworden und von Schimmel befallen. Die Frau ist endgültig zum Teufel gegangen.
Und die Kinder machen ihm Vorwürfe, er habe ihnen das Leben versaut. Hier am Land hätten sie einfach keine Chance; in die Stadt zurück möchten sie, am liebsten heute noch.
Und der Text?
Den Text? Den können Sie vergessen, sagte er.