Mittwoch, 26. November 2014

Hoffnungen, Utopien und andere Illusionen - Schluss


Machen sich tatsächlich, wie gerne behauptet wird, nur „Träumer“, also die der Wirklichkeit Entrückten, Gedanken darüber, was die Zukunft bringen wird? Was sie bringen soll?

Im Gegenteil: Voraussagen darüber, was man von der Zukunft erwarten dürfe, waren immer schon sehr gefragt. Und sie sind es noch.  
Wurde man von Zweifeln überwältigt, suchte man einst die Orakel auf.
Vor allem dann, so versichert uns die Historie, wenn man als Herrscher eines Großreiches einmal nicht so recht weiter wusste, war ihr Rat gefragt. Immer dann, wenn Sicherheit über die Entwicklungen hinsichtlich der zukünftig zu erwartenden Lebenslage, bevorzugt über die Angelegenheiten der Liebe oder den Ausgang eines Waffenganges, geschaffen werden sollte, freute man sich sogar über Aussagen, deren bestimmte Unbestimmtheit sich erst nach getaner Tat in Wahrheit oder Lüge zu wandeln bereit war.

Die Moderne hat das Orakel der Antike in weiten Bereichen durch  Kontingenz, Wahrscheinlichkeit und Logarithmen ersetzt. Dass die damit konstruierten Prognosen nicht selten  ähnlich un-bestimmte Aussagekraft besitzen wie Jahrtausende zuvor die delphischen, ist inzwischen keine Aufregung mehr wert. Nichtsdestotrotz erfreuen sich auch die modernen Nachfahren der Orakel ungebrochener Beliebtheit.
Manche pochen dabei auf das Privileg des Menschen, sich hin und wieder sogar übertriebene Hoffnungen, also Illusionen zu machen. Gerade darin unterscheide sich der Mensch schließlich vom Tier. Doch nicht jeder, der sich des Wetters von morgen vergewissern will, hält sich einen Frosch im Glas.

Aber schon hin und wieder dem Verhalten einer durch das winterverdorrte Gras schleichenden Katze Aufmerksamkeit zu schenken,  könnte erhellend sein. Zu beobachten, wie sie sich fast überirdisch vorsichtig, ohne auch nur einen Hauch von Luftbewegung zu verursachen über das Terrain schwebt, Pfote für Pfote primadonnenhaft aufgereiht, um nur ja keinen einzigen der dürren Grashalme unnötig zu bewegen, um schließlich von einem Augenblick zum anderen reglos, wie versteinert, mitten im Schritt  inne zu halten, den Blick aufmerksam zu Boden gerichtet, minutenlang geduldig verharrend, um anschließend mit unendlicher Achtsamkeit ihren Schwanz, der wenige Augenblicke zuvor vielleicht noch steil in den Himmel aufragte, geräuschlos neben sich ins Gras zu betteten, um in dieser, für sie nun angenehmeren Position, das tun zu können, was ihre Stärke ist: Warten auf den rechten Augenblick - dies könnte in uns eine Ahnung davon erzeugen, was man unter „Hoffen“ versteht.

Ob der Begriff  “Hoffnung” oder gar “Illusion”  tatsächlich für das Verhalten oder für die Gedankenwelt von Tieren mit Recht angewendet werden kann, soll den Verhaltensforschern zu klären gegönnt sein.  Aber, wird man nicht, wenn eine Katze stundenlang wartend vor einem Mäusebau zubringt, mit einigem Recht davon ausgehen können, dass sie sich Hoffnungen macht?
Wäre es wirklich abwegig, der Katze eine Vorstellung, ähnlich derjenigen des Menschen, davon zuzubilligen, was in der nächsten Zeit im Kosmos ihrer Lebenswelt passieren könnte?  
Die Katze wartet und hofft!
Vielleicht hofft sie auch nur darauf, dass ihr Opfer sein Versteck bald verlassen wird.  Dass die Grenze zwischen begründeter Hoffnung und der Unzuverlässigkeit des Wunsches dabei fließend in einander übergehen, wen stört's?
Wäre es nicht sogar nahe liegend, auch der Gedankenwelt der Katze die Fähigkeit der Imagination zuzubilligen darüber, wie die nähere Zukunft aussehen könnte? Warum gerade ihr absprechen, eine Idee davon zu haben, was die Zukunft bringen könnte, was die  Zukunft bringen sollte?
Dennoch wartet und hofft auch sie oft vergeblich.

Aber hat sie sich in diesem Fall wirklich Illusionen gemacht? Hat sie sich gar einer „Utopie“ hingegeben?

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