Freitag, 1. Juni 2018

Warum schreibt Mangold?

Nein, wahrlich, sagt Mangold, ich bin kein Freund der Menschen. Im Gegenteil. Aber was ist das Gegenteil von jemandes Freund sein? Ist es jemandes Feind sein? Nein, ich bin selten jemandes Feind, sagt Mangold. In den meisten Fällen ist mir mein Gegenüber einfach nur gleichgültig, egal.

Wenn dem wirklich so ist, so muss die Frage erlaubt sein, sage ich, warum jemand wie Sie, werter Herr Mangold, sich die Arbeit macht, einen Blog zu gestalten. Ich meine, Sie machen sich doch einige Mühe damit. Das passt irgendwie nicht zusammen für mich, Herr Mangold, sage ich.

Es scheint mir, als blicke Mangold, betreten zu Boden. Das aber würde nicht zu Mangold passen. Mangold war noch nie verlegen. Ich kann mich an keinen Moment erinnern, an dem ich das Gefühl hatte, Mangold sei etwas peinlich. Er sieht natürlich auch diesmal nicht verlegen zu Boden. Es ist ein Irrtum. Er sieht einfach nur zu Boden. Vielleicht kann er so besser über meine Frage nachdenken, denke ich.
Als er wieder aufsieht, lächelte er. Ja, das ist wirklich seltsam, glauben Sie mir, auch ich habe darüber nachgedacht und denke ständig darüber nach, besonders dann, wenn ich gerade an einem Text arbeite, sagt er. Warum tue ich das, was ich tue und nicht jenes? Fragen wir uns das nicht ständig? Warum interviewen Sie mich gerade? Bin ich ihnen nicht auch gleichgültig? Wir sind einander gleichgültig. Würde einer von uns beiden jetzt, in dem Augenblick, tot zu Boden sinken, der andere würde keine Träne vergießen. Und schon morgen wären wir mit ganz anderen Dingen beschäftigt.

Nun gut, bei Ihnen verstehe ich die Sachlage, Sie sind Journalist, Sie wollen eine Story. Sie wollen Informationen, die Sie an Ihr Publikum verkaufen können. Sie haben ein finanzielles Interesse. Aber ich? Warum  schreibe ich? Sagen Sie es mir! Ich weiß es tatsächlich nicht.
Die Liebe zu den Menschen ist es nicht. Ich liebe nur ganz wenige Menschen. Ich kann sie Ihnen aufzählen. Es gibt es ein paar wenige, die bewundere ich. Die meisten dieser Gruppe sind aber schon lange tot. Und dann gibt es noch ein paar Menschen, die sich meiner Achtung sicher sein können; einige gibt es, die ich mag, mit denen ich gerne ein bisschen Zeit verbringe. Und würden Sie mich nach Freunden fragen, nach wirklichen Freunden, dann würde ich ihnen sagen, dass ich nie Freunde gehabt habe und selbst nie wirklich jemandes Freund war. Das ist die Wahrheit. Und ich behaupte, bei Ihnen sieht es nicht anders aus, wenn Sie wirklich ehrlich zu sich sind.
Aber Sie müssen deshalb nicht traurig sein, Sie müssen sich schon gar nicht schämen. Es geht allen so. Glauben Sie mir, sagt Mangold.

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